Textatelier
BLOG vom: 29.07.2005

Oft stört mich das Wort „verkaufen“

Autorin: Rita Lorenzetti

Oft stört mich das Wort „verkaufen“. Ich kann mich einfach nicht damit abfinden, dass wir jetzt alles verkaufen müssen. Unser Land, die Berge, Landschaften, Orte, unsere Kultur, Gefühlswelten und vermutlich noch die Sonnenuntergänge. Verpackt als „Produkt Schweiz“ wird das alles auf den Tourismus-Markt geworfen.

Was heisst verkaufen? Etwas abgeben gegen Bezahlung. Konsequent verstanden, ist die Schweiz dann nicht mehr da, wenn sie verkauft worden ist. Dann hat sie jemand mitgenommen, weggetragen, anderswo integriert. Das Bedeutungswörterbuch umschreibt das Wort verkaufen in gleichem Sinn: „(Als Händler) Ware zu einem bestimmten Preis gegen Bezahlung an jemanden abgeben.“

Auch Menschen werden häufig angetrieben, sich selbst oder sich selbst sogar noch besser als bisher zu verkaufen. In einem Vorstellungsgespräch heisst es jetzt häufig: „Verkaufen Sie sich!“, wenn Talente und Erfahrungen beschrieben werden müssen.

Auch Interessengruppen, politische Parteien usw., die sich und ihre Qualitäten ins Rampenlicht stellen wollen, befehlen sich: „Wir müssen uns besser verkaufen!“

Sich selber verkaufen? Eine neue Form von Sklavenhandel? Absurd.

Ich frage mich, wie sich diese ausbeuterische Bedeutung von „verkauft“ weiterentwickeln wird. Steht dieses Wort nach einigen Jahrzehnten vielleicht einmal für „futsch“ (unwiederbringlich verloren)?

Hinweis auf weitere Blogs von Lorenzetti Rita
Rita Lorenzetti: "Jetzt sage ich adieu!"
Die alte Dame, der Schauspieler und Erinnerung an sie
Güterhof Schaffhausen, der Rheinfall und das grosse Los
EXPO 2015: Für die Lebensfreude wurde auch gesorgt
EXPO 2015 nur für Italienisch und Englisch Sprechende?
EXPO Milano: Highspeed-Besuche in vielen Ländern
Den Wallisern zuhören, wenn sie von der Seele reden
Meine persönliche Briefmarke fand ihren Weg zurück
Von Menschen, ihren Geschichten und ihren Welten
Vermutlich raubte mir eine Elektrosteckdose den Schlaf
Das Velo aus dem Winterschlaf geholt und ausgefahren
Sensible Naturen: Wenn Angst den Körper erzittern lässt
Visitenkarte: Worte, Gedanken aus dem Schüttelbecher
Ausschau gehalten nach einer Weihnachtsgeschichte
November-Tagebuch. Von der Busfahrt bis zur Pilgerfahrt